‘Lieber ungefähr richtig als exakt falsch’ – das Bonmot stammt von Stephan Dirr, einem alten Kollegen, der Betriebswirtschaft und Statistik ausgebildet hat, von einem auf Exaktheit bedachten Zahlenmenschen also. Seine Studierenden haben jeweils Bauklötze gestaunt, wenn ausgerechnet er, der Pedant, mit einem solchen Spruch daherkam. Was will Stephan uns sagen, welches ist seine Botschaft?
Wenn wir wissen wollen, was an den eidgenössischen Prüfungen geprüft wird, können wir das in den entsprechenden Prüfungswegleitungen nachschlagen. Sie geben uns einen Überblick über den Stoff, den wir im Griff haben sollten. Nicht beantwortet wird in den Prüfungswegleitungen oft die Frage nach dem Vertiefungsgrad des Stoffs. Das Strukturieren des Stoffs nach Taxonomiestufen wurde bedauerlicherweise weitgehend abgeschafft, es bleiben uns Mutmassungen und Annahmen. Ein Beispiel: Die Wegleitung besagt, dass wir etwas von der Bildung einer Stichprobe in der Marketing Forschung zu verstehen haben. Das Bilden von Stichproben ist eine Wissenschaft für sich, über die bereits tonnenweise Fachliteratur geschrieben wurde. Wir können uns in die Thematik hineinknien und uns Spezialwissen aneignen und damit mit einer Wahrscheinlichkeit von 1.3% an der Prüfung brillieren – vorausgesetzt, die Prüfungsexpertin teilt ihre Leidenschaft für Stichproben. Wir können es aber auch bei der Erkenntnis bewenden lassen, dass es Random- und Quota-Stichproben gibt und haben mit diesem oberflächlichen Wissen eine grosse Chance, uns an der Prüfung zumindest nicht zu blamieren. Eben, lieber ungefähr richtig als exakt falsch.
Gemäss Prüfungswegleitung gehören Kohortenanalysen zum Prüfungsstoff für Marketingfachleute. Tatsache ist, dass Kohortenanalysen in der Sozialforschung relevant sind, nicht aber in der Marketing Forschung. Wie die Kohortenanalysen es geschafft haben, in die Liste des Prüfungsstoffs zu kommen bleibt ein Rätsel. Ähnlich verhält es sich mit der Conjoint Analyse. Sie gehört zwar zum Prüfungsstoff, hat aber in den Prüfungen der vergangenen 20 Jahre keine Rolle gespielt, da sie in der Praxis aus Kostengründen kaum angewandt wird. Setzen wir Schwerpunkte, verzichten wir darauf, Stoff zu lernen, der mit aller Wahrscheinlichkeit anlässlich der Prüfung nicht vorkommt. Und wenn alle Stricke reissen und Conjoint Analysen dann doch gefragt sind, können wir uns damit trösten, die übrigen Fragen kompetent beantwortet zu haben. Lieber ungefähr richtig als exakt falsch.
Das Pareto Prinzip besagt, dass wir mit 20% des Aufwandes 80% des Ergebnisses erreichen. Umgemünzt auf unsere Prüfungsnoten bedeutet das, das wir mit 20% des Lernaufwandes ein Prüfungsergebnis von 4.5 erzielen. Mit den restlichen 80% bezahlen wir teuer für die Note 6.0. Es geht nicht darum, uns vom lernen abzuhalten oder unseren Ehrgeiz in Frage zu stellen. Die Note 4.5 kann rasch zur Note 4.0 und tiefer absacken. Ein bisschen höher darf es schon sein. Es geht aber darum, zwischen dem Lernaufwand und dem Lernerfolg eine vernünftige Relation zu finden. Eben, lieber ungefähr richtig als exakt falsch, ganz nach der Maxime von Stephan dir, dem Pedanten, Zahlenakrobaten und Superstatistiker.
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